Die schwedische Kälte

 

Wenn ich als Schwedin sage, „Ich friere“, bekomme ich sofort von umherstehenden Deutschen folgenden Satz in allen möglichen Varianten zu hören, „Du bist doch Kälte gewöhnt, weil du aus Schweden kommst!“ So, wie ich es verstehe, muss mir das Frier-Gen gar nicht mitgegeben worden sein, da ich aus dem nördlichen Europa stamme. Es müsste für Schweden quasi biologisch unmöglich sein, zu frieren.

Nun werde ich euch was sagen: Das stimmt nicht.

Und noch was: Ich habe noch nie so gefroren, wie in Deutschland.

In Schweden mag es wohl im Winter draußen kalt sein, aber drinnen ist es warm. Ich bin in einem Haus groß geworden, das mit Holz geheizt wurde. Mein Vater verbrachte viel Zeit im Wald meines Großvaters und „räumte auf“. Er brachte auf jeden Fall genügend Holz mit, um uns alle während der kalten Jahreszeit richtig warm zu halten.

In einem holzgeheizten Haus ist die Wärme nicht unbedingt gleichmäßig. Bei uns war es so, dass wir Kinder morgens lieber erst aufstanden, wenn die Eltern schon angeheizt hatten. Aber wenn das Feuer schon loderte, war es warm im Haus. Manchmal sogar so warm, dass meine Schwester und ich meinten, ein Statement setzen zu müssen: Wir haben uns, im Winter, im Bikini vor den Fernseher gesetzt, weil es uns ZU heiß war. Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Verhalten etwas an der Heizpolitik unseres Vaters änderte. Morgens kalt, abends heiß und dazwischen einfach warm.

In Deutschland habe ich zum ersten Mal einen Heizstrahler über einem Wickeltisch gesehen. Ich fand, es sah aus wie ein Grill und ich fragte meine Freundin entsetzt was das sollte. Sie erklärte geduldig, das wäre dafür da, dass das Baby beim Wickeln nicht kalt wurde. Und dann fing sie an, ihr Kind auszupacken: Kleine Wollschühchen, Strickjäckchen, ebenfalls aus Wolle, Hemdchen und Strampler aus Baumwolle und darunter ein Body aus irgendeinem Naturmaterial, vermutlich Wolle und Seide. Dann erst kam das nackte Kind zum Vorschein und die Windel konnte gewechselt werden. Ich war sprachlos.

Meine Freundin erklärte weiter, dass die Temperatur im Haus in Deutschland nicht so hoch ist, weil es teuer ist, zu heizen und außerdem wäre es Energieverschwendung. Deswegen wickelt man Babys ein und hängt einen Babygrill da auf, wo sie nackt sein müssen. Krabbelkinder bekommen zusätzlich noch zur Schichtkleidung extradicke Decken auf dem Fußboden, damit sie nicht krank werden. Auch als Erwachsene soll man besser Wollsocken, Hausschuhe, Unterhemd, extra Strickjacke und vielleicht noch einen Schal anziehen, damit man nicht als Energieverschwender angesehen wird.

In Schweden ist es zeitweise draußen kalt, aber im Haus soll es warm sein. Folkhälsomyndigheten schreibt sogar vor, dass 20 bis 24 Grad eine angemessene Temperatur sind. In Deutschland wird dagegen 18 Grad empfohlen.

Um es ein für allemal festzustellen, ich habe doch das Frier-Gen, besonders, wenn es im Haus nicht mehr als 18 Grad sind. Draußen rechne ich ab Oktober bis April mit Kälte und ziehe mich an, wie das Sprichwort sagt: det finns inget dåligt väder, bara dåliga kläder.

Gottseidank sind die Herzen meiner deutschen Freunde warm genug, um mich auch durch den Winter hindurch warm zu halten. Vorsichtshalber schadet es aber nicht, Hausschuhe und eine extra Strickjacke auf deutschen Hauspartys dabei zu haben.

 

Vokabelhilfe

Folkhälsomyndigheten – Volksgesundheitsamt

Det finns inget dåligt väder, bara dåliga kläder.  Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung