Im Juli macht sich bei mir normalerweise die große Faulheit breit. SOMMARSTÄNGT steht in meinen Augen geschrieben, wie früher in Schweden an den meisten Betrieben ab Mittsommer. Die industrisemester und die sommarlov machen alles etwas langsamer, und eine träge, sommerliche Ruhe kehrt ein. Bei mir funktioniert es auch, wenn ich nicht in Schweden bin. Mein Kopf macht auch in Hamburg im Juli sommarstängt, und ich finde das schön und erholsam.
Aber 2020 ist alles anders. Mein sommarstängt fing dieses Jahr schon Mitte März an und dauerte bis Ende April. Nur anstatt Sommerferien hatten wir Corona. Die Welt hielt den Atem an, alles stand still, von heute auf morgen waren fast alle Kunden im Homeoffice verschwunden und hatten andere Sorgen, als Schwedisch zu lernen. Unsere Wochenendkurse konnten nicht stattfinden und die Kochkurse erst recht nicht.
Anstatt die geschenkte Zeit zu nutzen und alles langsamer angehen zu lassen, wurde ich immer hektischer. Ich räumte Schränke auf, putzte Fenster und sortierte die Gewürze in der Küche alphabetisch. Dann nähte ich „Alltagsmasken“ und lernte, wieviel Porto eine kleine Versandtasche mit zwei bis vier Masken innerhalb Deutschlands kostet (1,55 Euro).
Gearbeitet wurde aber auch noch! Wir kümmerten uns vermehrt um Svenska Intensivs Facebook und Instagram: wir drehten Filmchen und posteten Bilder. Wir probierten verschiedene Onlinewerkzeuge aus und lernten schließlich mit Zoom umzugehen. Danach kamen langsam die Kunden zurück, und dazu sogar neue aus dem südlichen Teilen der Republik, sogar aus Österreich und der Schweiz. Mein Arbeitsalltag findet heute im Arbeitszimmer mit Kopfhörern vor dem Computer statt, und ich freue mich so sehr, wieder unterrichten zu können!
Nun haben wir wirklich Juli im Kalender, aber nie schienen sommarstängt und ausgelassene, fröhliche Sommertage bei der Familie in Schweden weiter weg. Als ich vorsichtig meine Eltern (beide 70 +) fragte, ob sie Besuch von uns haben wollten, sagte meine Mutter entsetzt: „Was willst du denn hier? Bleib wo du bist!“ Also, Schweden fällt aus. Viele von unseren Kursteilnehmern verreisen ebenso nicht, können wir also weiter unterrichten.
Covid 19 stellt einiges mit uns an, und wir müssen uns in vielerlei Hinsichten umstellen. Die eigenen Gefühle lassen uns Achterbahn fahren, und das einzige das wir tun können, ist, uns gut festzuhalten und nicht aus dem Sitz schleudern lassen.
Bei mir sieht es momentan so aus:
Ich bin traurig, weil ich meine Familie und Freunde in Schweden nicht sehen kann und auch nicht weiß, wann ich das wieder unbeschwert machen kann. Es bricht mir das Herz, wenn ich die Abiturientenentlassungen im Netz sehe. Da, wo normalerweise ein wogendes Menschenmeer zu sehen ist, stehen vereinzelte Kleinfamilien auf dem Schulhof, um den jeweils eigenen Abiturienten zu empfangen. Ich weine hemmungslos, wenn ich auf Facebook Enkelkinder verschiedener Länder ein Ständchen für Oma zum 75. Geburtstag singen sehe.
Es macht mich froh, dass mein Sohn sich entschieden hat, trotz der Quarantäne seine Sommerferien von der schwedischen Hochschule in Hamburg zu verbringen. Es freut mich, dass meine Tochter, trotz Corona, sich in Spanien so gut eingelebt hat, dass sie noch ein weiteres Jahr da bleibt. Körperlich hat die Zeit zu Hause mir sehr gut getan: Tägliches Corona-walking mit Lotta und den Kopf frei für eine kleine Ernährungsumstellung, das macht alles schwungvoller. Aber was mir bisher am besten gefällt, ist, mehr Zeit mit meinem Mann zu verbringen. Ich habe festgestellt, er ist total nett und lustig! Was für ein Glück, muss ich wirklich sagen, da wir unsere Silberhochzeit im Corona-Sommer alleine feiern werden. Und mit jemandem, der nett und lustig ist, wird es bestimmt ein rauschendes Fest!
/carina
sommarstängt – für den Sommer geschlossen
en industrisemest/er, -ar – Betriebsferien, Werksferien
ett sommarlov, – – Sommerferien (in Schweden immer noch an die 10 Wochen)