Mein Leben als Konzertbesucherin

Doch, doch, grundsätzlich mag ich Konzerte, und ich bin kein Kulturbanause, aber ich möchte am liebsten selbst auswählen, wo ich hingehe. Das klingt leicht und auch selbstverständlich, aber jeder, der in einer langen Partnerschaft lebt, wird mir recht geben, wenn ich sage, dass es nicht immer so leicht und selbstverständlich ist. Man möchte ja auch gelegentlich etwas zusammen als Paar unternehmen, etwas außerhalb des Betreibens eines mittelständigen Familienunternehmens, meine ich.

Als ich, Mitte zwanzig, total verliebt in den großen jungen Mann mit Lockenkopf war, wollte ich das kennenlernen, was sein Leben ausmachte. Hauptsächlich war das Handball und Musik. Handball schied als erstes aus: Zuschauen wenn andere Leute Sport machen, hat mich nie interessiert, nicht mal wenn einer davon die Liebe meines Lebens war. Also versuchte ich es mit Musik, und das, obwohl seine Plattensammlung mich eher ängstigte als erfreute. Erstens, weil es so unfassbar viele Platten waren, und zweitens, weil sehr viele davon in meinen Ohren gleich klangen: einsames Klavier und gelegentlich ein verlorenes Blasinstrument aus der Ferne.

Nun gut, ich tat was ich konnte, um mich als Konzertgängerin zu beweisen. Insgeheim bestand das hauptsächlich darin, nicht einzuschlafen während des Auftrittes und sich nicht zu früh zu freuen. Es kommt immer mindestens eine Zugabe. Auch sehr wichtig: auf gar keinen Fall auf die Uhr schauen! Das habe ich einmal bei einem schier endlosen Konzert des alten Holländers Hermann van Veen gemacht, da zischte mir mein Mann zu, „Ich nehme dich nie wieder mit!“ was als eine Drohung gemeint war, aber für mich eher wie ein Versprechen klang.

Das hielt ziemlich lange an, die Auswirkung dieser Drohung, die für mich ein Versprechen war, und ich hatte erst einmal Ruhe. Er hatte vermutlich eingesehen, dass der Bogen überspannt war. Davor war ich zu „Rock am Ring“ mitgenommen worden. Das kann ich euch sagen, ein Wohnmobil am Kilometer Vier zu parken, heisst, dass du vier Kilometer latschen musst, um zur Bühne zu kommen. Kein Problem für mich, da ich ohnehin nicht ununterbrochen vor der Bühne stehen musste, aber es hieß auch vier Kilometer zum Klo. Für mich auch kein Problem, da wir ja ein Klo im Wohnmobil hatten. Das Problem waren eher alle anderen Festivalbesucher, die zelteten. Sie hatten kein Klo. Sie hatten aber auch keine Lust, eine Vier-Kilometer-Wanderung für jedes mal pinkeln anzusetzen. Es wurde sehr viel Bier getrunken, da „Rock am Ring” nur zu ertragen ist, wenn man das komplette Wochenende sturzbetrunken oder alternativ voll zugekifft war. Viel Bier trinken heißt, viel … ja, ihr wisst schon.

Die Zeiten ändern sich, Festivals sind nicht mehr bei uns im Programm, und dieses Jahr sind wir sogar mehrmals zusammen in Konzerten gewesen, wo wir beide einer Meinung waren. Petter Bjällö sang Cole Porter im Winterhuder Fährhaus, zum Beispiel- topp! Und Victoria Tolstoy in der Elbphilharmonie – flopp!

Aber das einsame Klavier und das röhrende Saxophon bekommt von mir immer noch die Absage. So weit streckt sich nicht mal meine Liebe.

/carina