„Grünkohl“ versus „halländsk långkål“

Ich liebe Grünkohl. Oder grönkål, wie man auf Schwedisch sagt. In Schweden kannte ich es als eines von vielen Gerichten, die auf das julbord gehören, aber während aller anderen Tage im Jahr führte er ein jämmerliches Dasein. Es war eigentlich gar nicht vorhanden.

Als ich 1993 nach Deutschland kam, freute ich mich meines Lebens, als es ab Einsetzen des Frostes in Hülle und Fülle Grünkohl zu kaufen gab. Ich erinnerte mich an ein Quiche-Rezept mit Grünkohlfüllung, und fragte meinen Freund, ob er Grünkohl mag. Ich bin mit einem recht krüschen Vater aufgewachsen und hatte gelernt, dass, bevor man irgendetwas kocht, klären muss, ob es auch eine Chance gibt, das es jemand essen wird. Mein Freund hatte begeistert bejaht und bekräftigt, dass er sehr gerne Grünkohl isst. Ich machte die Quiche, stellte sie auf den Tisch und seine Gesichtszüge entgleisten ihm.

„Wenn man einen Norddeutschen fragt, ob er Grünkohl isst, denkt er nicht an …. sowas“, sagte er, während er in dem Essen herumstocherte. Ich fand es lecker und machte mir keine weiteren Gedanken darüber, was er eigentlich erwartet hatte.

Später, in meinem ersten Jahr in Deutschland, wurde ich zum Kohlessen mit Kollegen eingeladen. Ich freute mich sehr, dass die Leute hier offensichtlich Grünkohl genau so sehr mochten wie ich und man es auch zu ganz anderen Terminen als Weihnachten anbot. Meine Kollegin Ida hatte mich vorher noch gefragt, ob ich Grünkohl mag, und ich antwortete, genau wie mein Freund, dass ich Grünkohl sehr gern esse.

Aber es erging mir wie meinem Freund, ich wurde überrascht von der Speise, die ich dachte zu kennen. Grünkohl in Osnabrück war nämlich etwas ganz anderes als grönkål zu Hause, das kann ich euch flüstern. In Osnabrück wurde es mit karamellisierten, gebratenen Kartoffeln serviert und dazu gab es Fleischsorten, die ich bis dahin weder gesehen noch gegessen hatte: Pinkel, Schweinebacke, geräucherter Schweinbauch. Und der Grünkohl selbst sah sehr verkocht aus, mittendrin konnte ich schwimmende Haferflocken erkennen. Ich hätte sagen können „Wenn man eine Schwedin, welche in der Nähe von Halland aufgewachsen ist, fragt, ob sie Grünkohl mag, denkt sie nicht an … sowas.“

Mein Freund und ich heirateten und stellten fest, dass, um eine Ehe nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern als glücklich zu bezeichnen, jeder lernen muss, sowohl zu geben als auch zu nehmen. Am Beispiel Grünkohl können wir sehen, wie wir es gemacht haben: Grünkohl gibt es im Hause Middendorf ab etwa Ende Oktober bis Anfang März. Der Kohl wird vorsichtig in Brühe gekocht, in Butter geschwenkt und mit Sahne abgeschmeckt, genau wie es in Halland üblich ist, bekommt aber wie es in Norddeutschland Sitte ist, eine Fleischbeilage von Kassler und Mettenden.

Und zu Weihnachten ist der Grünkohl, oder wie es in dem Kochbuch „Annas mat“ von Anna Bergenström richtig heißt, „halländsk långkål“, eines der Gerichte auf dem julbord, die auf gar keinen Fall fehlen dürfen. Was da sonst bei uns hingehört, würde eine ganz eigene Kolumne ergeben.

Vokabelhilfe

(en) grönkål            Grühnkohl

ett julbord               schwedisches Weihnachts Büfett

Anna Bergenström „Annas mat