Gegendarstellung: „In guten wie in schlechten….Konzerten“

(Zu dieser Gegendarstellung ist meine Frau gem. Zusatz 5b der Beziehungsrahmenvereinbarung
moralisch verpflichtet)

Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin wohl der Annahme aufgesessen, Carina wäre freiwillig
mitgekommen – nach Deutschland, in die Ehe, in die Konzerte – so irrt man sich. Dabei ist Zwangsehe
gar nicht erlaubt und die Zwangsbeschallung muss man nur in überfüllten U- und S-Bahnen ertragen.
Ich sag nur: Gewährleistung und jedwede Garantieansprüche sind schon jahrelang nicht mehr
vorhanden. Selbst die Weitergabe meiner „beschädigten“ (Humor-)Gene an meine Tochter sind nicht
mehr zu verhandeln. Und immerhin hört unser Sohn Musik der 70/80er – kann also nicht alles
schlecht sein. Was bei Windows WYSIWYG (what you see is what you get) heißt ist in diesem Falle
WYMIWYD (what you marry is what you deserve).

Nun wusste Carina, wie sie selber zugab, von Anfang an von meinem Musik-Geschmack – nur ich
musste lernen, dass man auch mal reduziert (Sting, Sade, Police) unterwegs sein kann. Das ist wie mit
der Frisur – Carina hat die gleichen Haare wie als junge Frau, ok, etwas angegraut. Aber mit mir, dem
„Lockenkopf“, hat es, wie soll ich sagen, eine Entwicklung gegeben, ich trage mein Haar heute offen
und luftig, offen für Neues. Sie selbst ist sehr textsicher, kennt alle Beatles- und ABBA-Songs aus dem
FF – nur zu den Melodien findet sie schwer Zugang. Da wird der Text der schwedischen Nationalhymne
auch gerne mal mit der Melodie der deutschen gesungen, so geschehen in Göteborg Mitte
der 90er. Das schreit doch förmlich nach musikalischer Weiterbildung, oder ?

Nun ja, schon in der emsländischen Tiefebene, in der ich eine Zeit lang wohnte, war meine Plattensammlung (ja, Platte, Vinyl – die Älteren wissen)….äähhh…zumindest interessant. Aber da hat wohl bei ihr das Feuer der Liebe solch eine Blutwallung erzeugt, um dann als Rauschen und als Tinnitus im Ohr den Schall der Musik zu überdecken. Diese Tatsachen und wohl auch die Hoffnung auf bessere Zeiten hat sie freiwillig angenommen. Kein Saaldiener oder Barkeeper hat je gesehen, dass ich Ketten, Haluzinogene oder halbseidene Ganoven aus dem Rotlichtviertel als Druckmittel verwendet habe. Und nun dieser „Diss“ – war ich doch ob meines (Musik-)Geschmacks schon eh ein Einzelgänger auf dem Lande , stürzt mich ihre letzte Kolumne doch in eine zarte Depression.

Aber hat nicht jeder einen Tick. Reden wir doch mal über Bücher. Wenn Carina nach Schweden fährt,
steht die Verlagsindustrie Spalier, schwenkt blau-gelbe Fahnen und der Aktienindex steigt sofort.
Jeder Kurztrip wird zum Sonderbonus für Verlagsmanager und Autoren. Halleluja. Wie oft musste ich
die Kindersitze ausbauen und durch Buchpaletten ersetzen. Die Schmerzen im Allerwertesten der
Kleinen wurden auf Grund kleinerer Bestechungsmaßnahmen erduldet. In dem Sommer, in dem wir
NICHT in Schweden waren, gab es eine gemeinsame Krisen-Sitzung aller Verlage. König Carl Gustaf
sagte staatliche Hilfe zu und man überlegte, den ausgefallenen Literatur-Nobelpreis in einen
Literatur-Käuferpreis umzuwidmen, um sie nach Schweden zu locken.
Bei IKEA bekommen wir schon 3-für-2 auf Billy-Bücherregale und ich bin schon so geübt, dass ich das
Regal zu 70% während der Heimfahrt im Auto zusammen bauen kann. Wir horten so viele Bücher –
sollte mal die Heizung ausfallen oder eine Eiszeit anbrechen, wir haben genug „Stoff“, um drei Jahre
den Kamin zu versorgen.

Und habe ich je öffentlich mein Leide kundgetan? Nein. Wie oft kam ich mir vor wie in Guantanamo,
wenn ich mitten in der Nacht vom Scheinwerferlicht der Leselampe geweckt wurde. Das bedeutete
Schlafentzug – Seufzen oder lautes Lachen (je nach Buch) gab es inklusive – übermüdet musste ich oft
genug die Kollegen als Alibi nutzen, um spät nach Hause zu kommen, dabei nahm ich die ein oder
andere Stunde in ebensolchem Hotel.

Nun gut, wie verfahren wir nun. Ich erkläre es mal mit Musik – machen wir „Kompromisse (Roger
Cicero)“. Bevor ich das nächste Konzert vom Schlage „I have a date with a dream (Malene
Mortensen)“ habe, sollten die Familienmitglieder sich mindestens „Three times a lady (Lionel Richie)“
fragen, ob sie mitwollen – also nach der Antwort „Behind the gardens, behind the wall, under the
tree (Andreas Vollenweider)“ suchen. Aber bitte auch mit entsprechendem Abstand und eventuell
einer anderen Perspektive, vielleicht „From Gagarin´s point of view (Esbjörn Svensson)“. Ich werde
auch nicht „Burning down Bookshops (Stefan Honig)“ machen, um so eine erzwungene neue
Freizeitbeschäftigung zu erreichen. Dann können wir gemeinsam das Konzert „Jenseits der Stille
(O.S.T.)“ genießen. Und wenn Tochter “A.N.N.A. (Freundeskreis)” und Sohn „The Seldom seen kid
(Elbow)“ mitkommen, können wir auch sagen „We are family (Sister sledge). Ich bin halt „Still crazy
after all these years (Vocal Line)”.
“Amen (Amanda Sångensemble Göteborg)”.

/Ludwig Middendorf